„Ich wollte nie erwachsen sein …
… hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd‘ ich hart wie Stein und doch hat man mich oft verletzt. Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben. Erst dann, wenn ich’s nicht mehr spüren kann, weiß ich, es ist für mich zu spät, zu spät, zu spät.“
In seinem Lied „Nessaja“, das Peter Maffay aus seinem Konzeptalbum „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“ 1983 erdachte hatte, bringt es der Künstler auf den Punkt. 1994 wurde eine Single als Liveversion veröffentlicht mit dem Titel „Nessajas Lied/ Ich wollte nie erwachsen sein“, die weithin bekannt wurde und die viele Menschen auch heute noch gern hören.
„Ich wollte nie erwachsen sein …“
Was steckt dahinter? Von seinem Vater wird der kleine grüne Drache Tabaluga losgeschickt, um die Vernunft zu suchen. Dabei soll er sich auf „die Kraft, die alles bewegt, die Fantasie, verlassen“. Als er am Ende seiner Reise nach mancherlei Begegnungen und Abenteuern mit der zweihundertjährigen Meeresschildkröte Nessaja zusammenkommt, gesteht ihm diese,dass sie nie erwachsen sein wollte und trotz ihres hohen Alters tief in sich ein Kind geblieben sei.
„Ich wollte nie erwachsen sein …"
In der St. Franziskus-Grundschule erleben, begleiten, fordern und fördern wir Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse. Nicht nur in ihrer schulischen Entwicklung als lebendige Schule, in der den uns Anvertrauten Wurzeln und Flügel wachsen. Was wie ein Widerspruch wirkt, ist Wirklichkeit Tag für Tag: Wenn ich einen festen Stand habe, kann ich mich von dort aus besser bewegen als wenn ich hin- und hergetrieben bin. Nach und nach - gegebenenfalls mit und durch die Unterstützung anderer Menschen -, schaffe ich es, im übertragenen Sinn über mich selbst hinauswachsen. Offener zu werden für Neues, Unbekanntes und für all das, was herausfordert und Leben heißt, kann im übertragenen Sinn Flügel wachsen lassen. Selbstbestimmtes, freies Arbeiten wird in der St. Franziskus-Grundschule ebenso gefördert wie die sprachliche, die musikalische und die naturwissenschaftliche Ausbildung der Schülerinnen und Schüler. Das Erfahren und Erleben des christlichen Glaubens bieten wir denen, die eine konfessionelle Bindung haben wie auch jenen ohne Religionszugehörigkeit. Kann das zusammenpassen?
„Ich wollte nie erwachsen sein …"
So lange ist er noch nicht her: Der Einschulungsgottesdienst für die 48 Kinder aus den ersten Klassen in der mit Menschen gut gefüllten Moritzkirche an einem Samstagmorgen. Aufgeregte Kinder und Lehrende, noch nervösere Geschwister, Eltern und Großeltern. In die Schule zu kommen, ist ein wesentlicher Lebensabschnitt. Vieles (ver-)ändert sich: Mein Tagesablauf wie auch das, was alles ansteht im Lauf einer Schulwoche. Kind sein oder es im besten Sinn des Wortes noch bleiben zu dürfen – auch als Erwachsener -, erfordert Mut. Kindern wird vielfach mehr nachgesehen als Erwachsenen. Auch deswegen, weil die Kleinen manches noch nicht kennen oder können, das sie nach und nach mit der Hilfe anderer erlernen. Nicht nur in der St. Franziskus-Grundschule oder im Hort. Wenn ich Kind sein kann, neugierig, lernbereit und offen für das, was ich noch nicht weiß und noch nicht gelernt habe, bleibt auch mein Leben spannend. Neues wird etwas Erstrebenswertes, Großartiges. Vor allem, wenn ich mich weiterentwickeln darf, je älter ich werde.
Ob das, was die zweihundertjährige Meeresschildkröte Nessaja dem kleinen grünen Drachen Tabaluga mit auf seinen Weg gegeben hat, dass sie „irgendwo tief in“ sich „ein Kind geblieben“ sei, auch für mich gute Worte sind, möge jede und jeder für sich selbst entscheiden. Ich freue mich immer wieder darüber. Auch und gerade als Erwachsener.
Kind sein zu dürfen, ist trotz mancher Sorgen und Nöte, im Vergleich zu anderen noch so viel lernen zu müssen oder zu dürfen, mit einer gewissen Unbeschwertheit verbunden. Weil ich noch nicht so viel Verantwortung zu tragen habe wie später als Erwachsener.
Lassen wir Nessaja nochmals zu Wort kommen: „Erwachsen? Was heißt das schon? Vernünftig? Wer ist das schon? Ich bin ich und du bist du. Das ist alles, was ich weiß. Du bist jung, ich bin alt. Aber was kann das schon bedeuten?“ Fragen über Fragen. Ob ich darauf eine Antwort finden kann, wird sich zeigen.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger