Zweifellos gibt es sie: Traumorte. Beeindruckende Naturschönheiten sind es. Oder ansprechend-atemberaubende Landschaften, die ich gern länger genieße. Des weiteren auch einzigartige architektonische Kostbarkeiten, wo immer auf unserer Erde sie sich befinden. Manches kann ich erreichen. Mit mehr oder minder großem Aufwand dorthin reisen. Oder, wenn das nicht geht, weiterhin davon träumen.
Alpträume braucht niemand. Furcht, Angst und Panik sind traurige Wirklichkeit für mehr Menschen als manche meinen. Weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind und sich das nicht aussuchen konnten. Oder wenn sie zwischen Fronten stehen, sie Gewalt, Schmerzen, Leid und Krieg erfahren. Ihre einst lebenswerte und erstrebte Zukunft hat sich dramatisch verändert. Von jetzt auf nachher ist so vieles ganz anders als zuvor. Aus der Traum! Die Realität ist manchmal gnadenlos.
Bei Konflikten, Auseinandersetzungen und Gefechten zerbrechen Wunschvorstellungen. Wie Hohn, wie aus einer anderen Welt oder sogar unwirklich klingen jene Worte aus der Bibel, die sich im Alten Testament beim Propheten Jesaja finden lassen: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. Kuh und Bärin nähren sich zusammen, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus. Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen.“ (Jes. 11, 6-9a). Gibt es das Paradies erst jenseits unserer Welt?
Ein friedliches Miteinander – nur noch ein Traum? Wo Menschen einander hassen, andere zum Schweigen bringen, mundtot machen oder sie aus welchem Grund auch immer zu vernichten suchen, wo es Sieger, Gewinner und Verlierer gibt und die, die auf der Strecke bleiben, ist für echten Frieden kein Platz mehr. Nicht nur in der Ukraine, nicht nur im „Heiligen Land“ Israel oder in Palästina, sondern überall auf unserer Erde gibt es Unheil. Wird es immer schlimmer? Lassen sich unterschiedliche Ansichten, Meinungen, Vorstellungen, Ziele und Erwartungen nicht mehr zusammenbringen?
Schule und Hort leben nicht von Träumen und Wunschvorstellungen. Sie stellen sich der Wirklichkeit, die so ist, wie sie ist. Nicht anders. Oft nicht so schön, wie ich es gern hätte. Lehrende, Lernende, Betreuende und Unterstützende sind nicht immer einer Meinung. Unterschiedliche Ansichten und Meinungsverschiedenheiten bleiben im Alltag nicht aus. Streit und nicht nur verbale Auseinandersetzungen brauchen nicht verschwiegen zu werden. Menschen bleiben Menschen mit Grenzen, Ecken, Kanten, Fehlern. Ich kann nicht aus meiner Haut heraus. Nicht alles und jedes braucht und kann so sein, wie ich es mir vorstelle. Vor allem auch deswegen, wenn und weil mein Gegenüber andere Vorstellungen oder Träume hat als ich. Darf ich mich denn nicht auch an den Unterschiedlichkeiten und über Vielfalt freuen? Wenn neue Impulse und frische Ideen dem Schulalltag die nötige Würze verleihen. Wenn und weil ich Geschmack daran finde, dass manche anders denken, handeln und leben als ich. Das muss kein Traum bleiben. Es kann Wirklichkeit werden. Nicht nur in der St. Franziskus-Grundschule und im Hort. Von einem gelingenden, guten Miteinander brauche ich nicht nur zu träumen. Ich darf überlegen und mit meinen Fähigkeiten und Mitteln umsetzen, wie ich selbst dazu beitragen kann. Immer noch und immer wieder.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger