„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.“
Wann genau dieser Satz aus einem Gebet von wem so formuliert wurde, lässt sich in nicht mehr feststellen. An ihn dachte ich, als ich jene Darstellung von Jesus Christus gesehen habe. Zu finden ist sie der Kapelle im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen. Dort nahm ich vor kurzem an einer Schulpastoralfortbildung für Schulseelsorger aus Ostdeutschland teil.
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.“
In der Zeit vor Weihnachten, der Adventszeit, ist so viel zu tun und zu erledigen. Alle Jahre wieder. Weil und obwohl es so viele wissen, schaffen sich manche selbst mehr Stress als nötig. Ich muss und brauche nicht alles zu machen. Auch, wenn ich mich noch so anstrenge: Ich werde nicht alles schaffen und perfekt erledigen können. Zugegeben: Manchmal steht in den Wochen vor der Weihnacht wegen des herrschenden Trubels der nicht im Fokus, um den es eigentlich geht: Jesus Christus. Und jetzt?
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.“
Manchmal sind mir die Hände gebunden. Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann. Auch, wenn ich es gern machen würde: Nicht alle Probleme und Schwierigkeiten sind für mich lösbar. Obwohl es hart klingt – und es auch ist: Ich muss lernen, damit zu leben. Damit, dass manches verbesserungswürdig ist. Dass Lücken bleiben. Dass das Optimum trotz allen Bemühens nicht immer und überall zu erreichen ist. Auch nicht in der St. Franziskus-Grundschule. Ist das schlimm?
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.“
„Niemanden bleibt etwas schuldig!“ So steht es in der Bibel im Römerbrief bei Röm. 13, 8. Wie soll ich das fertigbringen, wenn und weil ich nicht alles schaffe? Wenn ich durch die Fehler, die ich mache, auch schuldig werde? Weil ich andere durch mein Verhalten oder durch mein Nichthandeln enttäuscht habe, sie immer wieder und immer noch enttäusche? Die Adventszeit, das beinahe vierwöchige Warten auf die Geburt Jesu Christi, bietet sich jetzt an: Dass ich es trotz mancher Begrenztheiten bei mir und bei anderen trotzdem versuche: Nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Nicht meinen, ich könne nichts machen. Mir nicht einreden lassen, ich sei mittellos, sprachlos und hilflos. Denn auch mit meinen Händen kann ich mehr tun als ich manchmal meine. Für mich und für andere. Auch und gerade in einer Schule.
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.“
Blinder Aktionismus hilft nicht weiter. Geschenke nur um der Geschenke willen zu geben, macht oft nur vordergründig glücklich und zufrieden. Ebenso wenig zielführend ist es, wenn ich die Hände nur in den Schoß lege und nichts tue: Die „anderen“ können es ja „viel besser“, „noch schneller“ oder gar „weit effektiver“ als ich. Gerade in einer Grundschule gilt es, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten jeder und jedes einzelnen zu entdecken. Diese zu fördern und zu entwickeln. Nicht, indem ich meinem Gegenüber die Arbeit abnehme und keine Chancen eröffne, eigenständig tätig zu werden. Jede und jeder hat einmal klein angefangen. Ich auch. Darf ich denn nicht den uns Anvertrauten Mut machen, etwas selbst zu versuchen? Gegebenenfalls mit meiner Unterstützung oder der Hilfe Dritter. „Learning by Doing“ nennt man das auch. Lernen, indem ich es mache. „Niemanden bleibt etwas schuldig …“ heißt es in der Bibel. Weiter geht es mit „ ….außer der gegenseitigen Liebe.“ Sie ist es, die Leben lebenswert macht. Auch wenn ich nicht alles und jedes lieben kann: Das Größte, was Menschen einander schenken können, ist Wertschätzung, Anerkennung und Liebe.
Nicht nur und nicht erst im Advent oder an Weihnachten, sondern immer wieder und immer noch. Tag für Tag. Manchmal darf ich auch im besten Sinn handgreiflich werden, damit etwas möglich wird und sich umsetzen lässt. 1976 hat Bettina Wegner in ihrem Lied „Kinder. Sind so kleine Hände“ es auf den Punkt gebracht und erweitert:
„Sind so kleine Hände, winz’ge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann. Sind so kleine Füße, mit so kleinen Zeh’n. Darf man nie drauf treten, könn’ sie sonst nicht geh’n. Sind so kleine Ohren, scharf und ihr erlaubt. Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub. Sind so schöne Münder, sprechen alles aus. Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus. Sind so klare Augen, die noch alles seh’n. Darf man nie verbinden, könn’n sie nichts versteh’n. Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei. Darf man niemals quälen, geh’n kaputt dabei. Ist so’n kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht. Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht. Grade klare Menschen wär’n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat hab’n wir schon zuviel.“
Vielleicht wären diese Zeilen auch eine Art Adventskalender. Ganz ohne Schokolade. Aber möglicherweise effektiver für die Wartezeit bis zur Geburt des göttlichen Kindes an Weihnachten. Rückgrat hat jede und jeder. Doch auf meine Haltung kommt es an. Darauf, ob ich andere machen oder schaffen lasse. Darauf, dass ich meine Hände, meinen Verstand und die mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einsetze, die Zeit vor Weihnachten auch für andere zu einer schönen und erfüllten zu machen. Nicht nur an der St. Franziskus-Grundschule.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger