24. Juni 2024

Was man hier alles zu sehen bekommt!

Gut sichtbar und vor allem leicht erkennbar sind sie, diese weißen Buchstaben auf dem roten T-Shirt einer Lehrerin der St. Franziskus-Grundschule. Was es damit auf sich hat?

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Viele kennen sie noch: Jene Streiche, die Max und Moritz, ihrem Lehrer Lämpel spielten. In der ihm eigenen Art reimte und zeichnete Wilhelm Busch mit seiner „Bubengeschichte in sieben Streichen“, was Kinder tun können und machen, um Erwachsene an ihre Grenzen zu bringen. 

Über unterrichtsfreie Zeit in den Sommerferien freuen sich neben den Schülerinnen und Schülern Lehrpersonal und Erziehende. In der St. Franziskus-Grundschule und im Hort ist das nicht anders. Nicht, weil die ihnen Anvertrauten aus den Klassen 1 bis 4 permanent nur nerven, ihre Lehrerinnen und Erziehende ärgern oder sich über sie lustig machen. Aber Lernen und Lehren und miteinander den Tag vor und nach dem Unterricht gestalten, ist und bleibt eine stete Herausforderung. Immer wieder neu und manchmal neu und anders als zuvor.

„Lasst mich durch, ich bin Lehrerin!“ 

Wenn eine Pädagogin ein T-Shirt mit dieser Aufschrift geschenkt bekommen, sorgt das für Heiterkeit. Anders als Einsatzfahrzeuge von Rettungsdiensten wie Feuerwehr, Notarzt oder Polizei haben Lehrerinnen kein Blaulicht und kein „Folgetonhorn“, vulgo „Martinshorn“. Sonderrechte, die bestehende Ordnungen kurzzeitig außer Kraft setzen, gibt es für sie nicht. Um die Dringlichkeit und die Wichtigkeit ihres Tuns ihrem Gegenüber vor Augen zu führen, bedarf es anderer Lösungen. Eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit, ja, manchmal auch Penetranz, kann hilfreich sein, sollen der Lehr- und der Lernstoff die Mädchen und Jungen erreichen. Über allem steht: Jedes Kind wertzuschätzen, weil und obwohl es so ist, wie es eben ist. Es darf Fehler machen. Es braucht nicht perfekt zu sein. Das eigene Wissen und Können erweitern – selbstständig oder mit Förderung und Unterstützung kann, darf und soll es. Nicht nur durch bloßes Nachmachen. Sondern auch durch die jede und jedem eigene Fantasie und Kreativität, die sie oder ihn ausmacht und auszeichnet. Die Möglichkeit, aus den geschenkten und erworbenen Talenten und Fähigkeiten etwas zu machen, ist nicht nur einmal gegeben.

„Lasst mich durch, ich bin Lehrerin!“ 

Dass jemand in Schule und Hort den Kurs und die Richtung bestimmt, selbst mit gutem Beispiel vorangeht, darf erwartet werden. Verständnis und Geduld aufzubringen, wertzuschätzen, zu loben, unaufhörlich zu motivieren und sich über all die kleinen Erfolge zu freuen – dies und anderes mehr ist wünschenswert. Tatsächlich bleiben auch Lehrende und Erzieherinnen und Erzieher Menschen. Sie kennen und erleben nicht nur die Grenzen anderer. Ihren eigenen sind ihnen zur Genüge bekannt. Manche sind selbst Mutter oder Vater. Sie wissen durch ihre eigenen Töchter und Söhne, was geht und was nicht. Gerade Letzteres ist etwas, das ich mir immer wieder neu vor Augen halten darf: Erzwingen oder mit Gewalt ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen lässt sich das wenigste. 

„Lasst mich durch, ich bin Lehrerin!“ 

Manchmal sind Pädagogen und Erziehende alles auf einmal: Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei. Die kleinen Wehwehchen im Schul- und im Hortalltag wahrnehmen und erkennen. Dort kompetent zu agieren – und nicht nur zu reagieren -, wo es im übertragenen Sinn gerade brennt. Gegebenenfalls und situationsbedingt für Recht und Ordnung zu sorgen, wenn es erforderlich ist. Ohne „von oben herunter“ zu kommen und Angst statt Respekt und Verständnis zu erzeugen. Aber eindeutig klar, deutlich und verständlich. Meine Freiheit hört bekanntlich spätestens dort auf, wo die meines Gegenübers anfängt.

„Lasst mich durch, ich bin Lehrerin!“  

Es gibt Tatsachen, die so sind, wie sie sind. Auch und sogar in den Ferien: „Also lautet ein Beschluss: Dass der Mensch was lernen muss. Nicht allein das Abc bringt den Menschen in die Höh‘, nicht allein im Schreiben, Lesen übt sich ein vernünftig‘ Wesen; nicht allein in Rechnungssachen soll der Mensch sich Mühe machen, sondern auch der Weisheit Lehrenmuss man mit Vergnügen hören.“

Nach dem, was über ihn bekannt ist, war Wilhelm Busch eher ein ernster und verschlossener Mensch. Umso mehr bringen diese, seine eben zitierten Zeilen Saiten zum Klingen, die zeigen, dass er wohl doch Humor hatte in Wort und Bild. Ohne die Fähigkeit, all den Unzulänglichkeiten auch und gerade im Schul- oder Hortalltag, den täglichen Problemen und Missgeschicken gelassen und heiter zu begegnen, werden Lehren, Lernen und Anleiten schwerer als sie es sind. Humor bedeutet, dass und wenn ich situationsbedingt trotzdem noch etwas finde, über das ich lachen kann. Mit Spott über Fehlendes oder Zynismus wegen Mangelndem hat das nichts zu tun. 

Denen, die sie haben, wünsche ich schöne und erholsame Ferien. Die Möglichkeit, das zu tun, was sonst zu kurz kommt und mich über all das aus ganzem Herzen zu freuen, was Leben lebenswert macht. Innerhalb und außerhalb der St. Franziskus-Grundschule.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger