20. August 2024

Handyfreie Zone

Nur ein Schild am Zaun? Ja. Ein selbst gestaltetes. Eines, das auffallen könnte …

Titelbild für Beitrag: Handyfreie Zone

Echt jetzt? Ja. Zu entdecken hinter dem Parkplatz vor der Grundschule außen am Zaun zum Eingang vor dem Schulhof. „Handyfreie Zone“. Sowas. „Bitte nimm dir Zeit für dein Kind“. Das ist gewagt. Provoziert. Kann nachdenklich machen. Sonst noch was? Ja.

Für immer mehr Menschen geht es nicht mehr ohne. Das Mobiltelefon ist zu dem Kommunikationsmittel geworden. Nicht nur telefonieren kann man damit. Frau übrigens auch. Kinder ebenfalls. Fotografieren und Filmen, Nachrichten aufnehmen und versenden, spielen, bestimmte Apps verwenden und vieles andere mehr. Social media ohne Handy? Für viele undenkbar. Fazit: Mögliches und Unmögliches, Ansprechendes und das, was ich zum (Über-)Leben nicht unbedingt brauche: Dieses und mehr finde, erreiche und nutze ich durch mein Handy. Großartig.   

Immer mehr Kinder, Frauen und Männer können sich ihr Dasein ohne dieses technische Wunderwerk nicht mehr vorstellen. Solange der Akku geladen ist und die Internetverbindung passt, ist alles gut. Hinzu kommt, dass schnelles Wlan das Miteinander auf unterschiedliche Weise nicht nur bei der Arbeit erleichtern kann. Zugegeben, auch ich möchte mein Handy nicht mehr missen. Doch weiß ich, wo sich der „Aus“-Knopf befindet. Der ermöglicht mir mehr als nur die „Lautlos“ oder die „Flugmodus“-Einstellung. Nämlich Freiheit und Freizeit. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Nein, früher war nicht alles besser. Anders als heute war es. Vielleicht sogar entspannender und entspannter. Ruhiger. Nicht so von Erwartungshaltungen geprägt wie heute. In der Tat gibt es noch Menschen ohne Handy und ohne Mailbox. Zeitgenossen, die ich so nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen kann. Leute, die nicht permanent online sind. Unfassbar. Aber nicht unmöglich. Und jetzt?

Wie und womit ich warum meine Zeit verbringe, kann ich mir nicht immer aussuchen. Denn so manches ist zu schaffen und zu machen. Damit etwas vorangeht. Herauskommt. Als Ergebnis zu sehen, zu lesen, zu spüren und zu erfahren ist. Irgendwann aber ist meine Arbeitszeit vorüber. Im Anschluss daran fangen sie an: Momente der Entspannung. Hand aufs Herz! Muss ich jetzt nicht doch mal rasch beim Handy schauen, wer sich warum auf welche Weise bei mir gemeldet hat? Welche Nachrichtenapp ein Update ins Netz gestellt hat? Wer warum wo wie etwas gepostet hat. Ich will nichts verpassen! Ich möchte „up to date“ sein. Sondern Bescheid wissen und mitreden können. Nicht von gestern sein.

In früheren Zeiten gab es in der ehemaligen DDR das sogenannte „Tal der Ahnungslosen“. Orte, in denen es schwer oder unmöglich war, „West-Fernsehen“ oder Rundfunk aus diesen Regionen zu empfangen. Manches haben die Menschen dort nicht mitbekommen. Ich stamme noch aus der Generation, die mit fünf Fernsehprogrammen und ohne Internet erwachsen wurde. Die noch das Logo „Sendeschluss“ auf dem Bildschirm kennt. Ein kabelloses, tragbares Telefon, mit dem ich weltweit nicht nur telefonieren, sondern auch Nachrichten und was auch immer senden und empfangen kann, war in meiner Kindheit und Jugend Science Fiction. Nicht vorstellbar, umsetzbar oder gar zu erwerben.

„Bitte nimm dir Zeit für dein Kind“. Es geht nicht darum, jemandem ein schlechtes Gewissen zu machen. Mit erhobenem Zeigefinger auf Defizite hinzuweisen, damit ich nicht von mir selbst zu sprechen brauche. Oder mir im übertragenen Sinn an die eigene Nase fassen muss. Weil es mir genauso geht. Dass auch ich mich mehr mit meinem Handy und dessen Möglichkeiten befasse. Als mir Zeit zu nehmen für das, was wirklich wichtig ist und sich nicht kaufen lässt. Denn das Kostbarste, das ich habe, ist meine Zeit. Wenn mir etwas wirklich wichtig ist, finde ich Raum dafür. Sogar dann, wenn es hoch her geht. Nicht nur in der St. Franziskus-Grundschule oder im -Hort. Innerhalb und außerhalb der Unterrichtszeit.

Zeit für Kinder oder für andere Menschen ist, wie ich finde, eine gut genutzte. Auch ich bin dankbar dafür, wenn andere mir etwas von ihrer Zeit schenken. Wenn ich nicht nur digital Neues erfahren und erleben kann. Sondern „old school“ analog live und in Farbe unmittelbar mitbekomme, was mein Gegenüber froh und glücklich macht. Was sie oder ihn gerade beschäftigt, aufregt oder ärgert. Denn ein gutes Miteinander klappt sogar ohne Handy und ohne Internet. Wenn ich mir dafür Zeit nehme. Weil es mir wichtig ist.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger