7. November 2024

Mach's Maul auf.

Offenheit hat viele Gesichter. Auf dem Bild findet sich eins, obwohl es genaugenommen sogar zwei sind. Die haben es in sich.

Titelbild für Beitrag: Mach's Maul auf.

Vielleicht ist es ein wenig zu derb für Menschen unserer Zeit. Martin Luther soll um das Jahr 1530 in einer Predigt über das Matthäusevangelium Folgendes gesagt haben: „Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald auf. Denn das sind die drei Stücke, wie man sagt, so zu einem guten Prediger gehören: Zum ersten, dass er auftrete, zum andern dass er das Maul auftue und etwas sage, zum dritten dass er auch könne aufhören.“

Als ich die beiden Hosenbeine eines unserer Schüler aus der St. Franziskus-Grundschule sah, fiel mir das oben Genannte ein. Es wäre wohl verfrüht, denen, die in unserer Schule lernen, eine theologische Predigtausbildung anzuraten. Aber jenes, was Luther mit diesen Worten nannte, könnte für die eine oder den anderen auch in unserer Bildungseinrichtung und im Hort hilfreich sein.

„Tritt fest auf!“ Auch, wenn und weil ich manchmal sogar als Erwachsener unsicher bin, weil ich nicht weiß, ob ich den in mich gesetzten Erwartungen entsprechen kann: Niemand muss vor anderen Angst haben. In der Schule, im Hort und außerhalb. Denn wir alle kochen nur mit Wasser. Auch, wenn ich nicht alles und jedes beherrsche, brauche ich mich nicht zu verstecken. Ich bin entwicklungs- und lernfähig. Hinzu kommt: Ich bin ich – und das passt so. Sogar, wenn das nicht jeder und jedem immer passt. Niemand kann aus ihrer oder seiner Haut heraus. Obwohl nicht alles perfekt, „fertig“ oder jeden Tag so großartig ist, wie ich es mir oder andere es sich von mir wünschen. Wem muss ich es recht machen?

„Mach’s Maul auf!“ Ich möchte mir nicht die Zunge verbrennen, oder den Falschen Ton treffen, wenn ich etwas sage. Ich traue mich nicht, offen meine Meinung zu äußern. Sie interessiert niemanden. Was ich von mir gebe, stimmt eh nicht. Deshalb bin ich lieber still. Ich beteilige mich weder am Unterricht, noch an Gesprächen anderer. Ist das eben Angeführte der Schlüssel zum Glück, respektive die Tür zu einem gelingenden Miteinander? Eher nicht. Weil ich weder hellsehen noch Gedanken lesen kann. Dankbar bin ich für das, was mein Gegenüber äußert. Danach weiß ich, wie ich „dran“ bin bei ihr oder bei ihm. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, kann ich immer noch nachfragen und auf eine Antwort hoffen.

„Hör bald auf!“ Manche reden mehr, als dass sie etwas tatsächlich sagen. Muss ich jeden Wortschwall ertragen? Menschen, die ohne Punkt und Komma sprechen und das Wesentliche aus welchem Grund auch immer nicht nennen, sind schwer zu ertragen. Manchmal ist in diesem Zusammenhang weniger mehr.

Entsprechend und ansprechend aufzutreten, will ebenso gelernt sein, wie das Richtige im passenden Moment auszusprechen und dort einen Punkt zu setzen, wo es gut ist. Dieses und noch viel mehr versuchen wir, denen mit auf den Weg zu geben, die wir in der St. Franziskus-Grundschule und im Hort Tag für Tag neu erleben dürfen. Sie uns übrigens auch.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger