Wenn ich Kinder und Jugendliche nicht mit dem Handy spielen sehe, freue ich mich darüber. Möglicherweise bin ich mit meiner Einstellung von vorgestern. Doch bin ich ebenfalls dankbar, wenn ich immer mal wieder den „Aus“ Knopf meines Mobiltelefons betätigen kann. Es gibt sie nämlich noch: Analoge Kuscheltiere ganz ohne Elektronik.
Ein solches hatte ein Schüler im Hort St. Franziskus dabei. Stolz zeigte er ihn mir vor Unterrichtsbeginn: Seinen kleinen, grünen Drachen. Dieser lächelt jene an, die ihn anschauen. Er hält ihr oder ihm seine Händchen entgegen, als ob jetzt eine Umarmung fällig wäre. Das hat mich berührt heute Morgen. Im Lauf des Tages begegneten mir die beiden wieder – der lächelnde, kleine grüne Drache und sein glücklicher Besitzer. „Wissen Sie noch? Heute früh …?“ fragte mich der Junge. Ja, ich weiß es noch.
Viele sehnen sich nach dem, was sie aufmuntert. Ihnen deutlich macht, dass „nicht alles schlecht“ ist. Dass nicht nur die Lebenshaltungskosten zunehmen, Extreme vielfacher Couleur die Oberhand zu gewinnen scheinen und immer mehr Menschen sich fragen: Was kommt noch? Kann ich dem noch gerecht werden, was sich geändert hat? Jenem, dem gegenüber ich mir machtlos und manchmal sogar hilflos vorkomme?
Prophetisch begabt sind die wenigsten. Mit Sicherheit die Zukunft voraussagen kann niemand. Wie muss es denen gehen, die in unseren Tagen Kinder und Jugendliche sind? Sie konnten sich genauso wenig aussuchen, wann sie auf die Welt kommen wie ich. Nicht nur in der St. Franziskus-Grundschule und im -Hort gibt es Fragezeichen, für die sich aus unterschiedlichen Gründen keine Antworten mehr finden lassen. Verschiedene Ängste vor dem Morgen scheinen bei Erwachsenen genauso zuzunehmen wie bei manchen, die in den Schulen lernen. Es braucht Motivierendes! Etwas, an das ich mich kuscheln kann wie an den kleinen grünen Drachen. Der noch lächelt, wenn ein Akku leer ist und keine Steckdose weit und breit sich findet.
Ob es wirklich zu blauäugig ist, was sich im Matthäusevangelium bei Mt. 6, 34 in der Bibel so findet? „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage.“ Ob das gelingen kann, mag jede und jeder für sich entscheiden. Ein Leben ohne Sorgen gibt es zwar nicht. Weder für Kinder, noch für Jugendliche, noch für Erwachsene. Doch brauche ich mir nicht die Freude und – ja, ich schreibe es bewusst so – die Lust am Leben verderben lassen. Von den Jammernden, den Klagenden und denen, die überall ein Haar in der Suppe finden. Die stets an dem, was so ist, wie es ist, etwas auszusetzen, zu ergänzen, zu verbessern haben. Nicht alles ist Gold, was glänzt. Nicht jeden Tag kann ich die Welt umarmen, weil alles „so schön“ ist. Aber darf ich mich denn nicht dann und wann von einem kleinen, grünen Drachen eines Kindes im übertragenen und im wahrsten Sinn des Wortes berühren lassen? Fällt es auf? Mit ein bisschen Fantasie kann ich im Schwarzen seiner beiden Augen sogar zwei kleine Herzen erkennen. So herzlos wie manche glauben und fürchten, ist unsere Welt nicht. Das zeigt mir der Umgang der Kinder, der Lehrenden und der Erziehenden untereinander und miteinander in unseren Einrichtungen Tag für Tag. Nicht, weil alles perfekt oder optimal wäre – das wäre illusorisch. Sondern deshalb, weil Viele immer noch daran glauben und darauf hoffen, dass ein gutes Miteinander trotz so vieler Unterschiede möglich ist. Nicht nur im November 2024, wenn es grau, neblig und kühl ist. Sondern mit gutem Willen und Zuversicht jeden Tag neu.
Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger